Zwischenruf - Marianna Barachino:Empathie

Es wird gehupt und geflucht. An manchen Tagen nehme ich eine angespannte Stimmung im Straßenverkehr wahr. Ganz besonders, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre. Bei der Arbeit angekommen, fühle ich mich, als hätte ich eine Verfolgungsjagd hinter mir.
Das sind Tage, an denen mir bewusst wird, wie sehr Stimmungen sich übertragen. Ist eine Person im Straßenverkehr angespannt, überträgt sich das auf andere. Wie ein Dominoeffekt. Da hupt ein Auto, die Fußgängerin schreckt auf, die Fahrradfahrerin versucht sich noch schnell durchzuschlängeln und alle geraten in eine Art Tunnel der Überforderung.
Das ließe sich eigentlich ganz einfach unterbrechen: mit ein wenig Empathie. Vielleicht ist dem genervten Autofahrer heute Morgen das Brot auf die Butterseite gefallen. Vielleicht fährt die rasende Radfahrerin gerade zum Krankenhaus, um ihre Mutter zu besuchen. Vielleicht wurde der schreckhafte Fußgänger mal auf einem Zebrastreifen fast angefahren und reagiert im Straßenverkehr verängstigt.
Empathisch zu sein bedeutet, aufmerksam für andere zu sein. Es bedeutet auch zu akzeptieren, dass ich nicht in ihren Kopf schauen kann. Dass ich die Gründe für ihr Verhalten nicht wissen kann.
Unterbrechen kann ich das nur, indem ich versuche, die Stimmung zu ändern: mit ein wenig Geduld und vielleicht auch einem freundlichen Lächeln.
Ein freundliches Lächeln hat mir schon einige nette Gespräche beschert, auch wenn die Stimmung in der Luft eine andere war.