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SR 2 Lebenszeichen - Samstag, 17. Juli 2021

Kunst macht Unsichtbares sichtbar

Der Künstler Michael Triegel hat sich als Erwachsener taufen lassen. Er sagt: “Nicht alle Fragen und Zweifel sind deshalb verschwunden. Im Gegenteil: Die Fragen und die Zweifel betreffen jetzt viel mehr meine ganze Existenz.“

In Leipzig lebt der Künstler Michael Triegel, er ist Anfang fünfzig, er ist einer der bekanntesten Maler unserer Zeit. Zunehmend haben ihn religiöse Themen interessiert, immer mehr warf die christliche Kunst Fragen in ihm auf – Fragen nach der eigenen Weltanschauung.

Er war in der DDR groß geworden. In einer Zeit, in der die Umgebung grau war und das Grau auch oft in den Köpfen herrschte. Ab und zu hätte er sich gewünscht, schon als Kirchenmitglied aufgewachsen zu sein: „Dann hätte ich in der Pubertät vielleicht gesagt: Jetzt lasst mich damit mal in Ruhe. Aber ich hätte immer eine Grundierung gehabt und die Möglichkeit, heimzukommen. Einen naiven Kinderglauben hatte ich nie. Ich habe deshalb einen anderen Zugang. Ich schaue unbelastet auf die Bilder, auf die Inhalte.“

Dann hat ihn ein Studentenseelsorger in Leipzig eingeladen, den Studenten etwas von seiner Malerei zu erzählen. Es kam zu einem losen Kontakt mit dem Priester, und dann, vor acht Jahren, der Vorschlag: wollen Sie nicht mal Exerzitien im Alltag mitmachen? Michael Triegel sagt, in diesen Wochen sei ihm die Botschaft des Evangeliums vom Kopf ins Herz gerutscht…

Lange Zeit hatte er eine enorme Sehnsucht nach dem Glauben: „Ich habe jahrelang mit mir gerungen – auf der Suche nach dem Glauben. Jetzt fand ich ihn. Ich wartete auch auf ein spektakuläres Erweckungserlebnis. Doch es ist einigermaßen banal gekommen.“ Irgendwann wurde ihm klar, dass sich der Glaube nicht produzieren oder erzwingen lässt. Wie Triegel es sagt: „Es bedarf der Gnade.“

Diese Gnade fand er, als er nach Rom zu einer Kardinalserhebung eingeladen war. Am Vorabend dieses Festes ging er, noch unerfahren im Gottesdienst, zum ‚Üben‘ in eine Werktagsmesse. Nur acht Personen waren gekommen, und er geriet in Panik: „Ich kenne mich ja nicht richtig aus – wann soll ich stehen-sitzen-knien?“ Die Messe war an einem Seitenaltar. Sie hatten keinen Italiener für die Lesung gefunden, dann war ein Spanier bereit, der radebrechte herum. Zwei Priester zelebrierten. Sie fanden die Stelle im Messbuch nicht, alles dauerte lange. Wenn sie die Stelle gefunden hatten, ging es mit Herzblut weiter – auch die Predigt war großartig. Es waren Männer, die augenscheinlich von sehr weit her gekommen waren, Indien oder Sri Lanka. Die Messe ging ihm ungeheuer zu Herzen.
Am nächsten Tag war alles ganz groß im Petersdom – ästhetisch und perfekt, Papst Franziskus stand ihr vor. Die neu ernannten Kardinäle zogen ein, und drei Meter schräg von Triegel saß ein kleiner dunkelhäutiger Mann, und er merkte: „Den kennst du doch… dieser Mann aus dem fernen Indien hatte doch am Vorabend zelebriert und nur seine acht Leute dabei gehabt…“ Und dann wurde ihm klar: Großartig, wenn das deine Kirche leistet, und wenn genau so ein  Mann Kardinal werden kann - dann ist das mein Zeichen: genau dieser Weg ist also richtig.“

Ein paar Wochen später ließ Michael Triegel sich taufen. Später sagte er:
„Die Taufe ist für mich kein Schlusspunkt, sondern der Anfang meines Glaubensweges. Darum sind auch jetzt, wo ich getauft bin, nicht alle Fragen und Zweifel verschwunden. Im Gegenteil: Die Fragen und die Zweifel betreffen jetzt viel mehr meine ganze Existenz.“

Seine gesamte Kunst gibt darüber Auskunft,  er malt seine Zweifel und seine Sehnsüchte. Dabei geht es sehr häufig um die Wunden. Um den Körper, der versehrt ist – oft genug als Zeichen einer verletzten Seele. Triegel sagt: „Das ist eine Möglichkeit, Menschsein als sehr verletzbar zu zeigen. Und über die Schutzlosigkeit auch eine Nähe herzustellen, zum Mitleiden aufzufordern. In etlichen meiner Bilder zeige ich eigene Wunden. Meine Bilder sind vielleicht so etwas wie Schutzschilde, die mich vor meinen Ängsten bewahren und zugleich etwas von meinen Sehnsüchten erzählen.“ Soweit der Maler Michael Triegel.

Für mich ist genau das das Religiöse an der Kunst: sie gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern sie macht sichtbar. Auch die unsichtbare Gegenwart Gottes.

 

Das LebensZeichen als Podcast zum Nachhören gibt es auf dieser Seite des Saarländischen Rundfunks

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