Zwischenruf - Pascale Jung:Der bewegliche Bischof

Auf meinem Schreibtisch im Büro steht ein Urlaubsmitbringsel aus Schottland. Eine Figur der Lewis Chessman. Eine Schachfigur. Diese Schachfiguren wurden 1831 am Strand der schottischen Hebrideninsel Lewis gefunden. Sie wurden vermutlich im 12. Jahrhundert in Norwegen hergestellt und gelten als die besterhaltenen mittelalterlichen Spielsteine. Jede der Figuren des Schachspiels ist individuell, mit eigenen Gesichtszügen und einem Charakter.
Auf meinem Schreibtisch steht der Bischof. In seiner Hand hält er die Bibel und den Bischofsstab. Das ist ungewöhnlich. So ein Bischof in einem Schachspiel ist ja irgendwie ein Sonderling zwischen all den weltlichen Soldaten, dem Turm, dem Reiter, dem König und der Königin.
Der Bischof hat im Schach die Funktion des Läufers. Ich bin überhaupt keine Schachexpertin, aber wenn ich mir die Zugmöglichkeiten des Läufers anschaue, fällt mir auf, dass so ein Bischof eine ziemlich hohe Beweglichkeit hat. Er kann ja diagonal über das ganze Spielbrett ziehen, wenn kein anderer Spielstein ihm den Weg verstellt. Und was mir noch auffällt, ist, dass zwei Läufer, also zwei Bischöfe sich immer einander ergänzen, denn der eine darf nur auf den schwarzen Feldern ziehen und der andere nur auf den weißen.
Der Bischof auf meinem Schreibtisch erinnert mich daran, dass kirchliches Handeln in der Welt gelingen kann, wenn man die Chance der freien Bahn nutzt und wenn man sich immer bewusst ist, dass die Fähigkeiten des anderen meine Fähigkeiten ergänzen und nicht behindern. Das gilt für Bischöfe und für alle Gläubigen.