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Zwischenruf - Matthias Marx:Die Sonne geht auf

Christen glauben daran, dass im Tod dem Menschen die Sonne aufgeht und nicht für immer unter.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
18. Dez. 2025
Von:
Matthias Marx

Dieter ist schwer erkrankt, es ist lebensgefährlich. Christa pflegt ihren Mann,
es wird ein langer Abschied, ein schwieriger Prozess. Auch eine Nachbarin kommt immer wieder herüber, hilft mit. 
Christa ruft die fünf erwachsenen Kinder zusammen. Selbstverständlich kommen alle, um Abschied zu nehmen. Auch die inzwischen zehn Enkel finden sich ein.
Als Dieter dann gestorben ist, läuft die Nachbarin raus aufs Feld, pflückt so viele Sonnenblumen, wie sie tragen kann. Die trägt sie an Dieters Sterbebett und umgibt den Leichnam mit lauter Sonnenblumen.
Christa und die Familie sind erstaunt, aber sie finden diese spontane Geste genau richtig. Tage später, in der Kirche, lässt die Familie alles mit Sonnenblumen ausschmücken. Und gesungen wird dort ein Lied, das Dieter sich noch selbst gewünscht hatte, ein Lied, das der Berliner Pfarrer Paul Gerhardt vor dreieinhalb Jahrhunderten gedichtet hat:
„Die güldne Sonne voll Freud und Wonne…“ –die Sonne steht für Gott selbst, von dem es dann heißt:
„Wenn wir uns legen, so ist er zugegen; wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen
über uns seiner Barmherzigkeit Schein. Kreuz und Elende, das nimmt ein Ende;
nach Meeresbrausen und Windes-Sausen leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht.“
Der Barockdichter sagt es: im Tod geht dem Menschen die Sonne auf, und nicht für immer unter. Eben ‚Auferstehung‘. Ein Licht, das keinen Abend kennt.