Lebenszeichen - Wolfgang Drießen:Die fröhliche Seite des Lebens

Ich singe für mein Leben gerne. Und das auch im Chor. Ein Lied kommt bei unseren Auftritten besonders gut an. Deshalb singen wir es meist gegen Schluss eines Konzertes. Und das Publikum singt, pfeift und klatscht immer irgendwann begeistert mit. „Always look on the bright side of life“. „Sieh immer das Positive im Leben.“  Das Lied stammt aus dem Film „Das Leben des Brian“ von der englischen Komikertruppe Monty Python.  Für die, bei denen es jetzt nicht klingelt – der Film ist jetzt ja auch schon 45 Jahre alt - hier kurz die Inhaltsangabe.  Die Hauptfigur Brian wird zur selben Zeit wie Jesus von Nazareth in Palästina geboren. Aufgrund mehrerer Missverständnisse wird er vom Volk gegen seinen Willen als Messias verehrt.  Er wird von den Römern verhaftet und zum Tod am Kreuz verurteilt. Und das ist das Ende des Films: auf einem Hügel stehen mehrere Kreuze. An jedem hängt ein Mensch.  Irgendwann beginnt einer zu singen: 
Es gibt schlimme Dinge im Leben.
Sie können dich wirklich verrückt machen.
Über andere Dinge schimpfst und fluchst du.
Wenn das Leben dir übel mitspielt,
Moser nicht rum, fang an zu pfeifen
Und das hilft dir, das Beste draus zu machen

Und schau immer auf die fröhliche Seite des Lebens
Schau immer auf die helle Seite des Lebens.
Ich weiß noch, wie meine Reaktion war, als ich den Film damals im Kino gesehen habe. Auf der einen Seite habe ich mich schlapp gelacht über den Humor der Monty Pythons. Auf der anderen Seite kamen da die Bedenken: Darf man das? Ist das nicht Blasphemie, eine grobe Verletzung von religiösen Gefühlen? Und vor allem: was ist mit den Menschen, für die es vermeintlich keine fröhliche, helle Seite des Lebens gibt?  Zumindest diese letzte Frage stelle ich mir schon lange nicht mehr. Spätestens seit ich einmal Kontakt zu Clowns hatte, die in Krankenhäusern auftreten. Und gesehen habe, wie die es schaffen, selbst in dunkelsten Lebenssituationen ein Lächeln in die Gesichter von Schwerkranken zu zaubern. 
Ob singende und pfeifende Menschen am Kreuz Gotteslästerung ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und ob man mit dem Humor von Monty Python etwas anfangen kann, sowieso. Ich fand ihn schon immer herrlich. Und deshalb habe ich das Lied mit dem Chor, in dem ich singe, auch schon in Kirchen gesungen. Auch die letzte Strophe:
„Das Leben ist absurd
Der Tod das letzte Wort
Mach einen Knicks, wenn einst der Vorhang fällt
Vergiss die Last der Sünden – schenk dem Publikum ein Grinsen
Genieß die letzte Chance auf dieser Welt.“
Wie ernst Menschen dieses Lied einer Komikertruppe nehmen können, zeigt sich in extremen Situationen. 1982 während des Falklandkrieges zwischen Argentinien und Großbritannien, wird ein britisches Kriegsschiff von einer Rakete getroffen. Das Schiff brennt und 20 Seeleute kommen ums Leben. Die Überlebenden versammeln sich an Deck. Sie warten auf Rettung, bilden eine Menschenkette und sie singen bis zu ihrer Rettung: "Always Look on the bright Side of Life“.  Wie ernst die Komiker ihr eigenes Lied nehmen, zeigen sie, als sie den Song auch bei der Beerdigung ihres Kollegen Graham Chapman singen, der im Film den Brian spielt. Nichts ist zu hören von Auferstehung oder einem Leben nach dem Tod. Da halten es die Pythons eher mit Friedrich Nietzsche oder Jean Paul Sartre. Ich will da nicht stehen bleiben. Vielleicht unterscheidet mich das von den britischen Komikern. Ich glaube und hoffe, dass ich mich in Gottes Hand fallen lassen kann, wenn bei mir mal der letzte Vorhang fällt. Glaube und Hoffnung, die brauche ich, damit ich lachen, singen und tanzen kann, damit mir auch in den dunklen Zeiten meines Lebens mein Humor nicht verloren geht.