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Zwischenruf - Wolfgang Drießen:Erinnerungen

Den ersten Herzschmerz, den vergisst man nicht
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
10. Sept. 2025
Von:
Wolfgang Drießen

Pubertät – das hieß bei mir: ich war ständig verliebt. Heute bin ich verheiratet, habe Kinder und Enkel und kann darüber lachen. Damals war ich unglücklich. Ich war lang und dünn, unsportlich, Brillenträger. Und viel zu schüchtern, um die jeweils Angebetete anzusprechen. Ich badete dann lieber auf Entfernung in Liebeskummer. Ganz schlimm war das bei Erika. Von ihr fühlte ich mich schon als Kind in unserer Volksschulklasse angezogen. Vor allem von ihren langen schwarzen Haaren. Später dann, so mit 14 oder 15, habe ich ihr mal einen Zettel zukommen lassen. Im Zug, auf dem Weg ins Gymnasium. Da fuhren wir einige Stationen gemeinsam. Was da drauf stand? Ich weiß es wirklich nicht mehr. Aber diese Zettelaktion endete für mich in einer emotionalen Katastrophe. Auf dem Heimweg wurde ich von Erika und ihren Freundinnen im Zug gnadenlos ausgelacht. Danach war ich geheilt. Viele Jahre später bei einem Klassentreffen erzählt sie mir, wie schön sie es findet, wenn sie ab und zu morgens im Radio meine Stimme hört. „Dreißig Jahre zu spät“, sage ich und wir müssen beide lachen. Beim Abschied umarmen wir uns kurz. Seitdem sind schon wieder viele Jahre vergangen. Wir haben uns nicht wieder gesehen. Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass sie gestorben ist. Und ich muss sagen, dass mich das wirklich traurig gemacht hat. Obwohl da ja nie was war zwischen uns außer meinen jugendlichen Gefühlen für sie. Egal. Wichtig ist es, die guten Dinge, Gedanken und Erlebnisse des Lebens zu bewahren. Und da gehört diese erste Schwärmerei dazu. Ich glaube, wenn ich noch mal in meine alte Heimat komme, gehe ich auf den Friedhof. Vielleicht finde ich ja ihr Grab. Dann lege ich einen Zettel mit einem Gruß darauf.