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Zwischenruf - Martin Wolf:Flatterband

Manchmal braucht es Schonräume im Leben.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
30. Juli 2025
Von:
Martin Wolf

Wenn ich durch die Stadt laufe, komme ich manchmal an Stellen vorbei, um die irgendjemand rot-weißes Flatterband gespannt hat. Meistens ist da irgendwas kaputt. Ein Loch im Boden. Ein umgefahrenes Verkehrsschild. Aber auch Pflanzen neben dem Gehweg, die gerade frisch eingesetzt wurden. Achtung, heißt das. Sei vorsichtig hier. Manchmal wäre das auch im Leben gut. Eine Art Schutzzone, bis etwas wieder heil und in Ordnung ist. Wenn einer schwer krank wird zum Beispiel. Oder einen lieben Menschen verloren hat und trauert. Oft erlebe ich dann: Freunde, Kolleginnen und Bekannte fühlen eine Zeit lang mit diesem Menschen mit. Sind behutsam. Schonen ihn. Aber irgendwann soll es auch wieder gut sein. Verständlicherweise. Denn Krankheit oder Trauer nerven und ziehen runter. Und das Leben muss weitergehen. Geht es manchmal aber nicht. Weil sich ein Verlust nicht so einfach reparieren lässt wie ein kaputtes Straßenpflaster. Und manche Krankheit verdammt hartnäckig sein kann. 
Ich erinnere mich, dass es früher schwarze Trauerkleidung gab. Die wurde so lange getragen, wie jemand trauerte. Und jeder konnte es sehen. Das gibt’s heute kaum noch. Vielleicht braucht es heute eher den Mut, öfter mal zu fragen: Wie geht es dir? Und die Bereitschaft, darauf ehrlich zu antworten. Zum Beispiel: Noch nicht gut. Ich brauch noch etwas Zeit und Schonung. Und Menschen, die da sind und es gut mit mir meinen.