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Zwischenruf - Birgit Wenzl-Heil:Mein Platz

Metallschilder mit Namen an Kirchenbänken können als Ausdruck einer tiefen Sehnsucht nach einem Platz in einer Gemeinschaft gesehen werden.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
12. Aug. 2025
Von:
Birgit Wenzl-Heil

Karl Schandl, Haus Nummer 174 – Marlene Schöpf, Nummer 251 – Maria Brandtner, Nummer 126. Als ich die barocke Kirche im bayrischen Mittenwald betrete, sehe ich die kleinen, alten Metallschilder in unterschiedlichen Formen und Farben in den Bänken. Zu den Zeiten, als die Gottesdienstbesucher noch weit zahlreicher als die Plätze waren, war so ein ganz persönlicher Sitzplatz mit Namen und Adresse sicher praktisch. Oft komme ich am Sonntag erst knapp in die Kirche. Ich stelle mir vor, wie entspannt ich dann auch bei großen Feiern sein könnte. Ich sage einfach: „Mein Platz“. Und schon ist klar, dass ich hier ältere Rechte habe als die, die nur mal an Weihnachten kommen oder zur Erstkommunion der Nichte. Ein Vers aus der Bibel, aus dem Buch Jesaja fällt mir ein: „Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände.“ 
Dieser Satz weitet mein Herz wieder. Ich könnte die Schilder auch anders betrachten: Nicht nur als Reservierung, sondern als Ausdruck einer tiefen Sehnsucht, die ich auch kenne: Ich möchte einen Platz an diesem Ort, in dieser Gemeinschaft haben. Und ich möchte mich ganz persönlich angesprochen fühlen von Gott. Ich möchte Gott glauben, dass er mich nicht vergisst und dass er meinen Namen schon längst bei sich trägt. Dann kann ich auch entspannt meinen Platz teilen, wenn ein anderer Mensch sich in der Kirche zu mir in die Bank setzten möchte. Oder sogar jemand unerwarteten schon an der Kirchentür persönlich begrüßen. Dann wird vielleicht auch für ihn spürbar, dass er hier genauso einen Namen und einen Platz hat wie ich und die anderen.     

(Jes 49, 15b+16a)