Zwischenruf - Luisa Maurer:Muttertag

Es gibt wenige Personen, mit denen ich mich so gut streiten kann wie mit meiner Mutter. Wir wissen ganz gut, was die jeweils andere auf die Palme bringt. Wir können diskutieren und manchmal auch laut werden.
Vor Kurzem spreche ich mit meiner Freundin Theresa über unsere Familien. Theresa verrät mir: “Ich finde es ja immer beruhigend, wenn man sieht, dass es woanders auch mal nicht ganz rund läuft. Oder, dass es auch mal ungewöhnliche Konstellationen gibt. Man denkt ja sonst immer: Bei den anderen Familien stimmt alles, nur bei mir nicht.” Ja, die heilige Familie. Da haben wir ja auch als Kirche nicht gerade wenig dazu beigetragen, dass Menschen sich von einem perfekten Bild Mutter, Vater, Kind unter Druck gesetzt fühlen.
Dabei ist DIE heilige Familie ja eigentlich genau das Gegenteil. Jesus lebte in einer Patchworkfamilie. Als uneheliches Kind mit einem Stiefvater. Und ich vermute, auch er konnte mit seiner Mutter ähnlich gut streiten wie ich. Wer die Bibel aufmerksam liest, findet immer wieder Stellen, wo die beiden es tun, wo sie streiten: Als Jesus als 12-jähriger im Tempel abhaut, als er sie zurecht weist auf der Hochzeit zu Kana und so weiter.
Heute am Muttertag denke ich an meine Familie. Die ist weniger heilig, als man von außen sehen kann. Und an der ein oder anderen Stelle weniger rund und mehr zusammengewürfelt als erwartet. Das nervt manchmal. Und doch: genau dafür schätze ich sie. Es gibt niemanden, mit dem ich so gut streiten kann wie mit meiner Mutter. Quasi niemanden, der so ehrlich, so fordernd und so liebevoll mit mir ist wie sie.