Lebenszeichen - Wolfgang Drießen:Nagasaki

"Um 11.02 Uhr am 9. August 1945, drei Tage, nachdem die Atombombe auf Hiroshima abgeworfen worden war, erlebte ich den weißen Blitz über Nagasaki ....Mich traf etwas Schmerzhaftes, mein Körper und das Fahrrad wurden durch einen heftigen Druck umgeworfen. Als ich so flach auf dem Boden lag, nahm ich einen hell scheinenden Blitz oder Regenbogen wahr. Ich sah Kinder wie Papierfetzen herumfliegen........Obwohl ich in Todesfurcht war, schrie ich instinktiv: 'Ich will leben.' * (Drescher/Garbe, Es begann in Hiroshima Bornheim 1982 S.24)
Das sagt Sumiteru Taniguchi. Er hat den Atombombenabwurf auf Nagasaki erlebt und überlebt. Erst im März 1949 kann er das Krankenhaus verlassen. Manche seiner Wunden sind unheilbar, der völlig verbrannte Rücken verursacht ihm den Rest seines Lebens starke Schmerzen.
Genau 80 Jahre ist das heute her. Am 6. und am 9. August 1945 werfen amerikanische Bomber zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Bis Ende 1945 sterben in Hiroshima ungefähr 140 000 und in Nagasaki 70.000 Menschen an den Folgen der Explosionen und der Strahlenschäden. Das Leiden und Sterben hört auch danach nicht auf.
In der Einsatzbesprechung vor dem Start des ersten Atombombers betet der Militärpfarrer mit den Besatzungsmitgliedern:
"Allmächtiger Vater.....sei mit jenen, welche sich in die Höhen des Himmels wagen und die Schlacht zu unseren Feinden tragen. Behüte und beschütze sie.....wenn sie ihre befohlenen Einsätze fliegen. Mögen sie, so wie wir, von deiner Stärke und deiner Kraft wissen, und möge es ihnen gelingen, bewaffnet mit deiner Macht, diesen Krieg zu einem schnellen Ende zu bringen." (a.a.O.S.132)
Eine ungeheuerliche Aussage. "Bewaffnet mit seiner Macht" - zerstört die Bombe von Nagasaki auch das Zentrum der japanischen Katholischen Kirche. Unter den 37.000 Menschen, die direkt sterben, sind drei Gemeinschaften von Ordensschwestern.
Pater George Zabelka, damals Militärpfarrer auf der Insel Tinian im Pazifik, von der die Bomber gestartet sind, bekennt Jahre nach dem Krieg: " Dass ich es unterlassen habe, angesichts dieser totalen moralischen Verirrung, wie sie die Massenvernichtung von Zivilisten darstellt, die Stimme zu erheben, sehe ich heute als ein schweres Versagen als Christ und als Priester.... " (a.a.O.133)
Einer, der ihm da sicher zugestimmt hätte war Robert Oppenheimer, Physiker und wissenschaftlicher Leiter des amerikanischen Atombombenprogramms. Zunächst war er stolz auf das, was er geschaffen hatte. Doch nach dem Abwurf der zweiten Atombombe auf Nagasaki änderte er seine Meinung. „Ich habe Blut an meinen Händen“ äußert er in einem Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten Truman im Herbst 1945. Der wird darüber richtig sauer, nennt Oppenheimer einen „heulenden Wissenschaftler“ und sagt später zu seinen Mitarbeitern: „Ich will ihn nie wieder in diesem Büro sehen.“ Realpolitik nennt man das wohl. Oder hatte der Präsident doch ein schlechtes Gewissen?
Auf jeden Fall begann nach 1945 die Zeit der nuklearen Aufrüstung mit dem Ergebnis des so genannten Gleichgewichts des Schreckens. Heute sind Nuklearwaffen Mittel zu politischer Erpressung und wer weiß, ab wann Kriege mit modernster Nukleartechnologie wieder als gewinnbar eingestuft werden. Heute, am Jahrestag des Bombenabwurfs auf Nagasaki gibt es für mich nur eines das wichtig ist: an die Opfer zu denken und ein Gebet für all die unzähligen Menschen zu sprechen, die durch Gewalt, Krieg und Terror ums Leben gekommen sind.
„Herr, lass ihren Tod nicht ganz umsonst und sinnlos gewesen sein. Deshalb hilf uns zu lernen, aus der Erde einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden. Damit unsere Kinder einst mit Stolz den Namen Mensch tragen. Amen“ (nach dem Gebet der Vereinten Nationen)