Zwischenruf - Lisa Olschewski:Von Mannschafts-Derbys und verlorenen Schafen

Warum ist unser Land und die Welt gerade so zerrissen? Warum scheint es zunehmend so, dass sich Lager bilden, Diskussionen im Schwarz und Weiß verharren und man von seiner Perspektive oft keinen Millimeter abrückt. Darum ging es neulich in einer Folge des bekannten Podcasts „Hotel Matze“. Dort war die Bestseller-Autorin Juli Zeh zu Gast.
Juli Zeh bringt das in Zusammenhang damit, dass sich die Menschen allmählich von den Religionen abkehren. Offensichtliche und sehr nachvollziehbare Gründe haben zu dieser Entwicklung geführt, doch so sei eben das Transzendente, also das Sehnen nach dem Göttlichen, dem Übernatürlichen, im Leben des Menschen in den Hintergrund gerückt. Obwohl doch genau das ein menschliches Bedürfnis ist. An die Stelle der Religion und des Transzendenten, so Juli Zeh, trete eine Art Mannschaftsbildung. Die Idee der Religionen, einen Ort für alle Menschen zu schaffen, ist damit abgelöst. Denn eine Mannschaft definiert sich meist über ihre Unterschiede zu den Gegnern. Eine Mannschaft ist ein sehr geschlossenes System, bei dem Leistung und Rivalitäten eine Rolle spielen und an dem nicht jeder einfach so teilhaben kann.
Die Idee der Religionen war jedoch seit jeher eine andere. Alle dürfen mitmachen. Das eine verlorene Schaf ist wichtiger als die 99, die sich an alle Regeln halten.
Das eine Schaf und damit den, der irgendwie anders ist, in den Blick zu nehmen und aufzunehmen. – Dazu muss ich mich bewegen. Ich muss das Schaf suchen, auf es zugehen, meine Komfort-Zone verlassen und mich auf den Blickwinkel des anderen einlassen. Das wünsche ich mir für unser Land und die Welt.