Zwischenruf - Marita Rings-Kleer:Der „Liebesbrief des Busfahrers“
„Nein, das war kein Liebesbrief“, widerspricht die Mutter ihrer Tochter.
„Für Opa aber schon“, kontert die Tochter.
Die Geschichte zu diesem „Liebesbrief“ muss ich mir erzählen lassen.
Opa Franz war Busfahrer und er war bei seinen Kollegen und den Fahrgästen sehr beliebt.
Immer war er hilfsbereit, freundlich und gut gelaunt.
Eines Tages stolpert eine Frau in seinen Bus, die Einkaufstasche mitsamt Geldbeutel und Fahrkarte fallen ihr auf den Boden. Die Frau fängt an zu weinen.
Opa Franz sichert den Bus, steht auf, beruhigt die Frau, hilft ihr beim Einsammeln all ihrer Schätze und bringt sie zu einem Sitzplatz.
Ein paar tröstende Worte noch, dann setzt er sich wieder ans Lenkrad.
Ja, so ist er eben, unser Franz, sagt eine Frau hinter ihr.
Die Frau steigt an ihrer Haltestelle aus, doch erst zu Hause merkt sie, dass sie sich noch nicht einmal richtig bedankt hat.
Dann schreibt sie einen Brief an Opa Franz, in dem sie sich ganz ausführlich für seine Hilfe bedankt.
Aber statt zum Busunternehmen schickt sie den Brief zur Zeitung.
Dort konnten Leserinnen und Leser nämlich Geschichten über besonders freundliche Mitmenschen einsenden.
Der schöne und liebevolle geschriebene Brief wurde dann auch prompt veröffentlicht.
Als Opa Franz auf den Brief in der Zeitung aufmerksam gemacht wird, lächelt er freundlich, wie immer, und schneidet den kleinen Artikel aus.
Also, sagt die Enkelin: das war doch ein Liebesbrief?
Ja, sage ich, ein Brief, der so viel Liebenswürdigkeit auf beiden Seiten beschreibt, ist ganz sicher ein Liebesbrief.