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Zwischenruf - Birgit Wenzl-Heil:Grabesruhe

Die Besucher am Grab von Alexej Nawalny zeigen Mut und Geduld, wenn sie sich nicht von Pöbeleien provozieren lassen.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
31. Juli 2024
Von:
Birgit Wenzl-Heil

Folgender Bericht in einer Wochenzeitung hat mich sehr beeindruckt: 
Es kommen Menschen zu einem Grab und legen Blumen ab. Alexej Nawalny, der ermordete Oppositionelle, ist in Moskau beerdigt. Er ist auf mysteriöse Weise in einem Gefangenenlager ums Leben gekommen. Am Grab ist ein Soldat stationiert. Er bewacht offensichtlich die Besucher. Ein Mann mittleren Alters mit Schlapphut kommt und unterhält sich mit dem Soldaten. Allerdings so laut, dass klar ist, mit wem er eigentlich redet. Er beklagt sich über angebliche Massenaufläufe von Besuchern am Grab, über Demonstrationen, wirft ihnen Provokation und Schlägereien vor. Er wird immer lauter und hetzerischer. Die Besucher bleiben still und verziehen keine Miene. Da legt er erst richtig los – gegen die Ukraine, Nawalny, Amerika. Und gegen die Besucher: „Man muss sie alle umbringen“, schreit er herum. Die Besucher ignorieren ihn und lassen sich nicht provozieren.  Denn sie wissen: Genau dazu ist er da. Er soll sie anschreien, Aggressionen schüren, sie reizen. Gibt jemand dann irgendeine Regung von sich, hat man einen Grund, diese Person festzunehmen. Aber die Menschen, die zum Grab kommen, bleiben stumm. Sie zeigen damit, dass sie keine Spirale der Gewalt wollen. Sie wollen Frieden. 
Ich bewundere die Besucher am Grab von Alexej Nawalny für ihren Mut und ihre Geduld. Und wie berichtet wird, liegen immer Blumen am Grab. Sehr viele Blumen.         

SR 1/2/3 - Zwischenruf:Grabesruhe