Zwischenruf - Matthias Scheer:Nicht runterziehen lassen

„Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“, ein fast prophetisches Filmzitat, schon knapp 25 Jahre alt. Vielleicht erinnern Sie sich: Zwei Männer - der „Ranger“ und „Abahachi“ – sind an den Marterpfahl gefesselt. Und den Tod vor Augen, kommt es zwischen den Beiden, zu einer überspitzten Grundsatzdiskussion, wie bei einem alten Ehepaar, Loriot lässt grüßen, so als hätten sie sonst keine Probleme.
Doch so witzig die Filmszene auch rüberkommt, so passt das Zitat: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“, zur aktuellen Stimmung im Land. Heute wächst und wächst die Unzufriedenheit und parallel dazu manche radikalen Ansichten und menschenverachtenden Meinungen.
Ganz anders aber eine Frau, die ich einmal im Monat besuche. „Ich bin zufrieden“, erzählt sie mir mit ihren über 90 Jahren bei fast jedem Treffen. Und zwischen der weltweiten Diskussion um reale Gefahren und Ängste, Wohlstandsverlust, Luxusproblemen und Jammern auf hohem Niveau, erdet die Dame die Dinge in der Welt und im Leben mit einem grundehrlichen Satz: „Ich hab ein Dach überm Kopf, ich hab zu essen und ich kann alleine aufs Klo gehen.“
Und eine Warnung hat sie für mich und erzählt von ihrem verstorbenen Zwillingsbruder: „Gib Dich nicht vorschnell zufrieden“, so hat er sie immer gewarnt. „Ich aber wollte nie gierig sein“, sagt sie, „zufrieden reicht mir.“
Und ich überlege: Auf einer Skala von null bis zehn, wie zufrieden bin ich eigentlich? Höchste Zeit den Zufriedenheitswert mal wieder neu zu überprüfen.