Zwischenruf - Martin Wolf:Überwacht

Wie schaffe ich es, gesund zu bleiben? Was sollte ich essen, was lieber nicht? Und ist Alkohol dann überhaupt noch erlaubt? Je älter ich werde, umso mehr ertappe ich mich, dass ich nach solchen Informationen suche. Was ich nicht habe: Eine Smartwatch, die auch meine Vitaldaten überwacht. Herzfrequenz oder Sauerstoffsättigung. Bewegung und Schlafqualität. Zugegeben, kann reizvoll sein. Wenn ich da immer Bescheid weiß kann es mir ja helfen, gesünder zu leben. Aber ich zögere noch. Weil ich eben auch weiß, dass ich um so weniger frei bin, je mehr ich mich überwache. Ob das Frühstück gesund genug war? Ob ich vielleicht wieder viel zu lange am Schreibtisch gesessen habe, und so fort. Ich werde dann alles noch kritischer beäugen und mit den Daten meiner Smartwatch abgleichen. Einfach nur unbeschwert leben wird jedenfalls immer kniffliger. Will ich das?
Die Vorstellung, dass Gesundheit, Leben und Tod allein in Gottes Hand liegen, die ist längst vorbei. Heute will ich wissen, mitreden, Verantwortung übernehmen. Das ist auch gut so. Und wenn ich mich ständig überwache, vielleicht kann ich so ja dem lieben Gott - oder dem Schicksal, wie weniger gläubige Menschen vielleicht sagen - auf die Finger schauen. Bloß überlisten kann ich ihn letztlich halt doch nicht. Ein entscheidendes Stück meines Lebens bleibt in Gottes Hand. Und vielleicht ist das ja auch ganz gut so.