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Lebenszeichen - Michael Kinnen:Vielleicht schmeckt der Himmel wie eine gute Currywurst?

Die Currywurst wird 75. Was sie mit Religion, gar mit dem Christentum zu tun hat? Im „Lebenszeichen“ geht Michael Kinnen von der Katholischen Kirche auf Spurensuche und fragt: Was macht wirklich satt?
Man sieht kleine grüne Pflanzen, die gerade begiinngen zu wachsen
Datum:
7. Sept. 2024
Von:
Michael Kinnen

Sie ist vielleicht das liebste Essen der Deutschen - und hat in dieser Woche Geburtstag: Die Currywurst. Vor genau 75 Jahren hat die Berlinerin Herta Heuwer sie in ihrer Pommesbude kreiert. Wissen Sie, was die „Spezial Curry-Bratwurst“ mit Religion, gar mit dem Christentum zu tun hat? Ich denke, man kann da durchaus manche Gemeinsamkeit finden. 
Zunächst mal ganz banal: dem einen schmeckt’s dem anderen nicht, und manche lehnen Wurst grundsätzlich ab. Wie in der Religion: Den einen „schmeckt“ das Christentum, den anderen nicht. Manche mögen lieber andere Religionen – oder gar keine und lehnen Religion grundsätzlich ab: „Religions-Veganer“ sozusagen, wenn so ein Wort erlaubt ist.
Und dann die Zusammensetzung der Currywurst: Da ist die Wurst vom Schwein oder vom Rind aus deutschen Landen; das Gewürz aus Indien, die Tomaten aus Italien, der Ketchup aus den USA, die Pommes dazu aus Belgien, das Salz aus dem Himalaya und so weiter: Da steckt die ganze Welt in so einer Wurst. Currywurst meets Katholische Weltkirche, denn auch die hat ja in sich Einflüsse aus der ganzen Welt vereinigt: römische Riten und äthiopische Erzählungen; Psalmen, die im Nahen Osten entstanden sind, und griechische Wörter wie etwa „Kyrie“ für „Herr“. Da kommt einiges zusammen bei Kirche und Currywurst, - und zwar nicht nur, weil manche etwa beim Pfarrfest zwischen Kyrie und Currywurst hin und her gerissen sind, wenn es vom Gottesdienst direkt auf den Festplatz geht. 
Und dann gibt’s mindestens noch eine Gemeinsamkeit zwischen Christentum und Currywurst: An den verschiedenen Zubereitungen der Currywurst scheiden sich die Geister: Mit Darm oder ohne, mit Ketchup oder Soße, mit Fleisch oder sogar vegan. Wie bei der Religion: Wie viele Konfessionen gibt es da? Jeder hat sein eigenes „Rezept“ dafür. Manche machen ein Geheimnis draus, geben es exklusiv nur an Auserwählte weiter. Und sind davon überzeugt, dass ihr Rezept dafür das einzig wahre ist. Tradition. Von Generation zu Generation. Manchmal verändert, und doch im Kern immer gleich geblieben. 
Natürlich darf man die Vergleiche nicht überstrapazieren. Da gehört auch eine gute Portion Humor dazu, es zwar ernst, aber eben nicht Tod-ernst zu nehmen. So wie eine Berliner Currywurst-Kette, die mit Augenzwinkern einmal für ihre Wurst geworben hat mit dem flotten Spruch: „Currywurst ist Gottes Entschuldigung für Rosenkohl“. 
Und dann gibt es da ja noch das Lied von Herbert Grönemeyer, mit dem er die gute Currywurst besingt. Da gibt es den Satz in einer Liedzeile, den man auch zweimal lesen – und dann auch hier Parallelen finden kann: „Geh’se inne Stadt, was macht dich da satt?“ Na? – richtig, die Currywurst! Zumindest in der Version von Herbert Grönemeyer. Aber: Was macht wirklich satt, was brauche ich zum Leben? Wo finde ich Heimat, auch in einer fremden Stadt? Ist es der Geschmack der Currywurst, der bei mir heimatliche Gefühle auslöst? Oder hab ich doch noch mehr Bedürfnisse, um Heimat zu finden, um angekommen zu sein? Eine tiefe Sehnsucht nach mehr als dem, was ich sehe und hier auf Erden erlebe. 
Heimat – angekommen sein, satt sein: Das geht noch weiter: im Leben und dann auch im Sterben, gerade auch, wenn’s da mal so richtig und nicht nur sprichwörtlich ‚um die Wurst‘ geht. Ich hoffe, dass ich am Ende meines Lebens nicht alles satt habe, aber dass ich im guten Sinn gesättigt bin, lebens-satt und gleichzeitig mit einem Vorgeschmack auf den Himmel. Und wer weiß? Vielleicht schmeckt auch der ja so ein bisschen wie eine gute Currywurst.

SR 2 Lebenszeichen:Vielleicht schmeckt der Himmel wie eine gute Currywurst?