Zwischenruf - Dr. Christoph Kohl:Wie die Gesellschaft gut funktioniert

Worauf kommt es an, dass unsere Gesellschaft gut funktioniert, vor Ort, in der Stadt und im Dorf? Das habe ich als Kind und Jugendlicher erlebt, und das hat mich geprägt.
Ich bin auf dem Dorf groß geworden, 670 Einwohner. Mein Vater war Bürgermeister, ehrenamtlich. 38 Jahre lang war er in der Kommunalpolitik engagiert. Sein Arbeitszimmer in unserem Haus war auch sein Büro als Bürgermeister. Und die Dorfbewohner sind mit all ihren Fragen und Sorgen zu ihm gekommen.
In den Jahren bis zum Abitur 1974 habe ich die besten Zeiten unseres Dorfes miterlebt. Nachbarschaftshilfe war selbstverständlich, und auch sonst haben die Leute im Dorf gut zusammengehalten.
Die Krönung der Solidarität im Dorf war, wie Wasserversorgungsleitungen gemeinsam repariert worden sind. Wenn jemand spätabends gemerkt hat, dass draußen irgendwo die Wasserleitung kaputt sein muss – weil kein Wasser mehr kam –, dann haben der einzige Gemeindearbeiter und mein Vater das Leck gesucht. Wenn sie es gefunden hatten, haben sie ein paar Männer, auch nachts, zusammengeholt und mit ihrer Hilfe das Leck geflickt – sonst hätten die betroffenen Familien am nächsten Morgen kein Wasser im Haus gehabt.
Heutzutage wäre so etwas wohl unvorstellbar. Aber diese Erfahrungen haben mich gelehrt, worauf es ankommt für ein gutes Zusammenleben vor Ort: Zusammengehörigkeitsgefühl; ein gewisser Sinn für das Gemeinwohl; tatkräftige Solidarität.
Diese Grundhaltungen und Einstellungen sind nach wie vor wichtig, erst recht in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt brüchiger wird. Und darum brauchen wir Menschen, die uns das Engagement für die Gemeinschaft überzeugend vorleben und dadurch auch andere anstecken. Damit auch unsere Gesellschaft auch heute gut funktioniert.