Zum Inhalt springen

Lebenszeichen - Michael Kinnen:Würde ist kein Konjunktiv

Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet.„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht im ersten Artikel. Um eine Kunstaktion dazu geht es im Lebenszeichen von Michael Kinnen von der Katholischen Kirche.
Man sieht kleine grüne Pflanzen, die gerade begiinngen zu wachsen
Datum:
25. Mai 2024
Von:
Michael Kinnen

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So steht es in unserem Grundgesetz. Der erste Satz im ersten Artikel. Der wichtigste Satz. Gerade war der Verfassungstag: Mit Gedenken daran, dass dieses Grundgesetz vor jetzt genau 75 Jahren verkündet wurde. Da gab es in den vergangenen Tagen schon Staatstragendes aus der Politik dazu. Ich will heute von einer Aktion berichten, die ein Kölner Künstler und Diakon der katholischen Kirche ins Leben gerufen hat: „Würde - unantastbar“, heißt sie: Auf kleinen Holztafeln stehen nur diese beiden Worte eingebrannt: Würde - unantastbar. Dazu eine symbolische Krone. Denn jeder Mensch hat eine königliche Würde, soll das heißen. Egal, ob arm oder reich, mit oder ohne Migrationshintergrund, jung oder alt; ja, sogar unabhängig davon, ob schon geboren oder nicht: Alle Menschen haben eine bleibende, unantastbare Würde. Weil sie Gottes Geschöpfe sind, seine Ebenbilder - wie das christliche Menschenbild sagt.

Die Holztäfelchen aus der Kunstaktion werden an verschiedenen Orten aufgestellt, an denen die Würde von Menschen berührt wird: Wo sie verletzt wird ebenso wie dort, wo sie besonders geschützt wird. An Orten, an denen die Menschenwürde konkret sichtbar wird, und wo man sich mit ihr beschäftigt: Bei Initiativen zum Beispiel, die sich für Menschenrechte einsetzen. In der Ausgabestelle der Tafel, wo Menschen aus prekären und sozial vernachlässigten Gruppen für etwas Essen anstehen. In Kirchengemeinden, die sich der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt aus den eigenen Reihen stellen. In Abgeordnetenbüros und Parlamenten, in denen eine menschenwürdige Politik gefragt ist. Vor Gedenkstätten, die an die Gräueltaten der Nazis erinnern - und mahnen, wo es hinführt, wenn sich Hass und rechte Hetze auch heute modrig-fruchtbaren Boden suchen. Überall dort - und an vielen kreativen anderen Orten - sind solche Würdetäfelchen zu finden. Unterstützerinnen und Unterstützer der Aktion fotografieren sie dort, posten das dann in sozialen Netzwerken und machen andere darauf aufmerksam. Es ist eine Kunstaktion, die zum Nachdenken und Diskutieren anregt, initiiert von einem Team um den katholischen Diakon und Bildhauer Ralf Knoblauch. Ja, es sind nur Holztafeln, aber sie können etwas bewirken. Dass die Würde des Menschen, aller Menschen, unantastbar ist - das klingt so gut, so vertraut, so wahr. Als wenn es in Stein gemeißelt wäre. Aber dass dem nicht so ist, dass die Würde täglich in Wort und Tat angegriffen und verletzt wird, ist leider auch aktuell. Das zeigt sich schon beim Blick in die Kommentarspalten im Internet, beim rauh gewordenen Umgangston in politischen Debatten und schon seit eh und je an manchen tatsächlichen und sprichwörtlichen Stammtischen mit ihren platten Parolen. Da braucht es diesen Einsatz „Für Demokratie und Menschenwürde“. Auch bei der kommenden Kommunal- und Europawahl in gut zwei Wochen und natürlich auch im Großen und Kleinen des Alltags. Da werden jedem und jeder von Ihnen genügend eigene Beispiele einfallen, wo das überall konkret wird, gerade in diesen Tagen. Menschenwürde ist nicht in Stein gemeißelt, sie wird verletzt. Auch dafür stehen für mich die Holztafeln. „Man müsste mal“ und „hätte man doch“ zeigt ja schon, wie vage das oft alles im Alltag ist. „Ich würde ja, aber...“ - da wird  „Würde“ im eigentlichen und übertragenen Sinn kleingeschrieben - da dominiert der Konjunktiv. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“: Dazu passt aber kein Konjunktiv. Da geht es ums tatsächliche Tun und Erleben; ob aus christlicher, anders religiöser oder humanistischer Motivation: Da wird „Würde“ nicht nur grammatikalisch groß geschrieben.

SR 2 Lebenszeichen:Würde ist kein Konjunktiv