Lebenszeichen - Wolfgang Drießen:Da kommt was auf mich zu
„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch“. Barockkomponist Andreas Hammerschmidt hat diese Vertonung des Psalms 24 der Bibel geschrieben. Das Stück ist ein Klassiker in der Adventszeit und viele Chöre haben es in ihrem Repertoire. Der Advent, der morgen beginnt, lebt von Bildern und Symbolen. Und eins davon ist die Tür. Da ist z.B. der Adventskalender für die Kinder mit seinen 24 Türchen. Den kennt wirklich jeder. Die Frage, die sich jeden Morgen damit verbindet, lautet: „“Was kommt da heute auf mich zu?“ Jedes Kind ist neugierig, welches kleine Geschenk sich da für es verbirgt. Für Erwachsene im Jahr 2024 sind die Antworten auf die Frage „Was kommt da heute auf mich zu?“ ernsterer Natur. Gerade in unruhigen Zeiten will man manchmal gar nicht daran denken, was da auf einen zukommen könnte. Es lohnt sich aber auch, mal im übertragenen Sinne darüber nachzudenken, was oder wer da auf mich zukommen will. Der Advent will genau auf diesen Aspekt aufmerksam machen. Er sagt: es gibt Türen, durch die uns etwas entgegenkommt aus einer anderen Welt, etwas Neues und Reines und Heiliges. In der Bibel sagt Jesus einmal den Satz: “Ich bin die Tür“, und er werde kommen, um dem Leid und Elend dieser Erde ein Ende zu machen. Ob ich das glauben will und mir zunutze machen kann, das hängt davon ab, ob ich – um im Bild zu bleiben- bereit bin, mit der Hand auf meine innere Türklinke zu drücken, damit sie aufgestoßen werden kann. Dass die Türen und Tore an den Kirchen oft groß und schön gestaltet werden, ist ein Ausdruck dieses Glaubens. Wer da hindurch geht, erwartet, dass ihn ein festlicher Raum aufnimmt und dass etwas geschieht, das frei und heil macht. Was wäre das schön, wenn gerade jetzt im Advent überall die Kirchentüren weit offenstehen könnten. In diesem Sinne starten in vielen Kirchengemeinden und christlichen Gruppierungen Aktionen rund um ein Adventsfenster. Da ziehen die Menschen Tag für Tag oder einmal pro Woche von einer Einladung zur nächsten. Sie stehen am frühen Abend vor dem Haus der Einladenden, bewundern das schön dekorierte Fenster, lesen Texte zum Advent oder singen ein Lied. Ich finde, das ist eine schöne Einstimmung auf das Weihnachtsfest. An einem alten Bauernhaus hatten die Bewohner statt eines Adventsfensters die alte Haustür des Hauses zu einem kleinen Theater umfunktioniert. Mit ihren Kindern und kleinen Handpuppen spielten sie die Weihnachtsgeschichte. Warum das ging? Weil ihre alte Haustür aus zwei Hälften besteht. Man kann die untere Hälfte zu lassen und die obere aufklappen. Oder man verbindet die beiden Hälften mit einem Riegel und hat eine ganz gewöhnliche Tür aus einem Stück. Heute sind diese Türen unmodern. Dabei sind sie eigentlich ein wunderschöner Kompromiss. Lasse ich meine Türen auf oder will ich, dass sie grundsätzlich zu sind? Das ist ja auch eine Lebenshaltung. Bin ich offen für Überraschungen oder halte ich mir lieber alles vom Leibe, weil es ja störend sein könnte? Vielleicht sind die nächsten 25 Tage ja mal ein Versuch wert: zumindest die obere Hälfte meiner Lebenstür für das Überraschende offen zu halten. So wie es im Adventslied heißt: Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch...“.