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Zwischenruf - Birgit Wenzl-Heil:Du siehst mir nicht mehr nach

Die Vorstellung, dass es Menschen gibt, für die man so wertvoll ist, dass sie einem sogar nachschauen, schenkt Birgit Wenzl-Heil Frieden.
Ein Kopfhörer liegt auf einem Buch, daneben steht eine Tasse mit Tee oder Kaffee
Datum:
30. Juli 2024
Von:
Birgit Wenzl-Heil

„Mama, Du siehst mir gar nicht mehr nach, wenn ich morgens weg gehe,“ sagt vor ein paar Tagen unser Sohn zu mir.  Dazu macht er einen gekränkten Gesichtsausdruck. Da der junge Mann 15 ist, weiß ich, dass er mich gerade auf den Arm nimmt. Vielleicht steckt aber auch ein Funke Wahrheit in seiner gespielten Empörung. Denn bei ihm war es früher nicht anders als bei seinen jüngeren Schwestern heute: Sie legen Wert darauf, individuell und nach dem gewohnten, immer gleichen Ablauf verabschiedet zu werden. Und dazu gehört auch der Blickkontakt bis sie hinter der nächsten Biegung verschwinden. Das kenne ich noch aus meiner eigenen Kindheit. Ich habe mich durch den Blick meiner Mutter zum Glück auch nicht kontrolliert gefühlt. Es war ein warmer, wohlwollender Blick, der mir ein Gefühl von Geborgenheit mit auf den Weg gab. 
Die wohltuende Erfahrung eines liebevollen Blickes steckt, meiner Meinung nach, hinter folgendem Segen aus der Bibel: „Der Herr segne und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“ Ich bin inzwischen zwar aus dem Alter heraus, in dem meine Mutter mir noch lange nachsieht, wenn ich aus dem Haus gehe. Und doch bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Und mir schenkt die Vorstellung, dass da jemand ist, dem ich so wertvoll bin, dass er nach mir schaut, tatsächlich Frieden.      

SR 1/2/3 - Zwischenruf:Du siehst mir nicht mehr nach