Lebenszeichen - Matthias Marx:Ein Stern für alle Menschen
Auf einer Zeichnung, einer Karikatur, sehe ich die heiligen drei Könige vor einer Mauer stehen. Es ist die berühmte Mauer, von den Israelis an der Grenze nach Palästina gebaut. Hinter der Mauer leuchtet es seltsam am Horizont – und einer der drei Könige sagt: „Wenn ihr mich fragt – das war kein Stern, was da vom Himmel gefallen ist…“
Der Karikaturist spielt natürlich auf das Wetterleuchten an, das die ständigen Bomben und Raketen über den Gaza-Streifen werfen. Härter kann man es nicht zeigen, was da heute am Himmel statt des Sternes von Betlehem zu finden ist. Eine Leuchtspur war es in der biblischen Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland, eine Kampfspur und damit eine Blutspur ist es in unserer Zeit.
Allerdings ist der Kontext auch damals zur Zeit der Geburt Jesu schon alles andere als friedlich. Denn der in genau diesem Gebiet herrschende König Herodes stellt sich als ein finsterer Politiker heraus, der lieber hunderte kleine Kinder ermorden lässt, als diesen einen kleinen Säugling von Betlehem zu akzeptieren. Zudem will er die geheimnisvollen Besucher aus dem Osten, wahrscheinlich aus Persien, an der Nase herumführen. Er macht sie zu Informanten seiner Machtpolitik – eben um dann das angekündigte Kind, den neuen Herrscher, unschädlich zu machen.
Die Magier aus dem Osten sind heidnische Astrologen, vielleicht Philosophen, auf jeden Fall hochgelehrte Wissenschaftler – und alles andere als gläubige Juden.
Jesus selbst hat erkennbar darunter gelitten, dass ihn jüdische Würdenträger seiner Zeit und viele einfache Gläubige ablehnten, dagegen mehr oder weniger verdächtige Halbgläubige oder Heiden sich ihm zuwandten. Spiegelt sich also in der Geschichte der drei Magier diese bittere Erkenntnis Jesu, dass ihn fremde Heiden besser verstehen als das eigene Volk?
Nun gehen die meisten Experten dieser biblischen Geschichte davon aus, dass es die Heiligen Drei Könige nie wirklich gegeben hat, dass wir eben vor einer damals geläufigen orientalischen Legende stehen. Und doch hat diese Geschichte eine der mächtigsten Auswirkungen für die Weltreligionen.
„Sie erzählt nicht von konkreten Menschen, sondern vom globalen Anspruch einer neuen Heilslehre und ihrer Ethik, des Christentums.“
So befindet beispielsweise der Journalist und Historiker Joachim Käppner.
Also ein globaler Anspruch, ein ungeheuerlicher Vorgang: „Die Christgeburt krempelt die Welt um. Während die Hoftheologen noch zusammengetrommelt werden, sind heidnische Gelehrte mithilfe des gestirnten Himmels schon fast am Ziel. Weihnachten ist also kein trautes Familienfest, sondern ein Geschehen kosmischer Dimension.“ (Hans-Dieter Osenberg)
Wenn ich es recht verstehe, ist also die Bedeutung dessen, was hier erzählt wird, viel wichtiger als die Frage, was damals wirklich passiert ist – oder nicht. Und die Bedeutung ist eben, dass die neue Religion keine Reiche und Völker mehr kennt; ihr Gott will für alle da sein – Gottes Liebe gilt überall.
Gut und schön, da stehe ich dahinter, nur bleibt trotzdem eine Frage, gerade heute, an Epiphanie, am Dreikönigstag.
Wenn eine Geschichte von Bedeutung geradezu überläuft, wenn die Symbole so mächtig gewirkt haben, bis hin zu den heutigen Sternsingern, soll gerade das wirklich ein Beweis dafür sein, dass in der Realität gar nichts passiert ist? Kann nicht tatsächlich etwas passiert sein, das einfach voller Bedeutung und Symbolik ist?
Wie dem auch immer sei, ich persönlich bleibe bei einer bewährten Erkenntnis: ‚Wo Rauch ist, da ist auch Feuer‘.
Und am heutigen Festtag möchte ich mit einem Text aus alten Liturgien bekennen:
„Er ist den Hirten erschienen, er, den die benebelten Herzen der Weisen nicht erkannten. Ein Stern von ungewöhnlichem Glanz führte die Könige, ging ihnen voraus, wurde ihr Führer hin zum Erlöser, der als wimmerndes Kind in der Krippe die Reiche der Könige gebeugt hat.“